28.01.2022 | Artikel: "Schieferstollen unter neuem Dach", erschienen im GrenzEcho vom Dienstag 18/01/2022
Verwaltung der touristischen Attraktion liegt seit 1. Januar in Händen der Autonomen Gemeinderegie (AGR)
Sowohl im übertragenen als auch im buchstäblichen Sinne erhält der Rechter Schieferstollen ein
neues Dach über dem Kopf: Anfang des Jahres hat die Autonome Gemeinderegie (AGR) die
Verwaltung der VoG übernommen. Dies vor allem vor dem Hintergrund, dass die Planung eines großen Bauprojektes zur Erweiterung und Modernisierung der touristischen Attraktion ansteht.
Von PETRA FÖRSTER
„Die Aktenordner der letzten Jahre liegen bei mir zu Hause“, lacht Kassierer Oswald Lamberty.
Und bei Schriftführer Christian Krings und Präsident Didier Landers sieht es nicht anders aus. Besucher, die
im Rahmen der Besichtigung einen Film über die Geschichte der touristischen Attraktion sehen möchten, werden in einem Container empfangen, der dem Empfangsgebäude angegliedert ist.
Für weitere Exponate ist derzeit kein Platz im Blausteinmuseum.
Das Blausteinmuseum, das 2016 ergänzend zum Stollen eröffnet wurde, ist ein schmaler, kühler Gang, bevor es hinab in das Besucherbergwerk geht. „Wir hätten noch viel mehr Exponate, die wir zeigen können, aber keinen Platz“, sagt Präsident Didier Landers. Kurzum: An allen Ecken und Enden fehlt es an Platz. Und außerdem soll die touristische Attraktion sich im richtigen Rahmen präsentieren.
Als der Schieferstollen im Mai 2007, zehn Jahre nach Gründung der gleichnamigen VoG, offiziell als Besucherbergwerk eröffnet wurde, hätte niemand gedacht, dass er sich einmal zu einer der größten
touristischen Attraktionen entwickelt. 130.937 Menschen haben den Schieferstollen seit der Eröffnung bis Ende 2021 besucht. Dies entspricht etwa 10.000 Gästen pro Jahr. In den letzten Jahren ist die Tendenz
steigend. „Wir sind Opfer unseres eigenen Erfolgs“, fasst Didier Landers zufrieden zusammen. Entsprechend hat der Verwaltungsrat im letzten Jahr ein Vorkonzept für die Weiterentwicklung des Blausteinmuseums in Angriff genommen, um die gesamte Infrastruktur zu modernisieren. Das Konzept wird in Zusammenarbeit mit dem Studienbüro Zeitkontext und Gestaltungskomitee Aachen erarbeitet,
das beispielsweise auch das Museum Vieille Montagne Kelmis entwickelt hat. In den nächsten Jahren soll das Bauprojekt weiter vorangetrieben und dann Ende 2023 oder Anfang 2024 realisiert werden. „Es kommt nicht auf ein paar Monate an, wichtig ist, dass vernünftig geplant wird“, sagt Christian Krings. Spätestens mit diesem Bauprojekt ist der Moment gekommen, in dem die VoG die Begleitung und Verwaltung nicht mehr im ausreichenden Maße gewährleisten kann. Deshalb hat man sich dazu entschlossen, sowohl dieses Vorhaben als auch die gesamte Verwaltung in die Hände der AGR zu legen und damit zu professionalisieren. Mit einem Geschäftsführungsvertrag wurde die Zusammenarbeit Ende 2021 formell beschlossen und definiert. Ein sechsköpfiger Begleitausschuss, dem je drei Vertreter jeder Seite angehören,
wird sich fortan um die praktische Ausführung kümmern. Seit dem 1. Januar stehen die beiden Angestellten (1,3 Vollzeitäquivalente), die sich um die Betreuung des Empfangsgebäudes und des Museums kümmern, nun nicht mehr in Diensten der VoG, sondern der AGR. Ihr Arbeitsplatz wird sich damit nicht zwangsläufig ändern. Lediglich für buchhalterische oder verwalterische Fragen werden sie teilweise im Kulturzentrum Triangel zu finden sein, wo sie mit den neuen Kollegen zusammenarbeiten. Ansonsten bleiben die beiden Angestellten weiterhin für den Empfang der Besucher vor Ort zuständig. Alles, was Buchhaltung, Administration und ähnliche Fragen betrifft, geht in die Zuständigkeit der kommunalen Regie über, die auch die Begleitung und Abwicklung des Bauprojektes übernimmt.
„Die Mitglieder der VoG werden sich weiterhin um die Inhalte und beispielsweise Führungen kümmern“,
erklärt AGR-Präsidentin Jana Müsch. Der Geschäftsführungsvertrag definiert, dass die Begleitung der Besuchergruppen ins Bergwerk sowie die Sammlung und Archivierung der historischen Produkte ebenso zu den Aufgaben der VoG gehören wie die Beratung der AGR in den inhaltlichen Fragen zur Konzipierung der
neuen Räumlichkeiten. „So können wir uns wieder auf die Dinge konzentrieren, die wir eigentlich tun möchten“, erklärt Kassierer Oswald Lamberty. Viele der ehrenamtlichen Mitglieder haben in den
Jahren nach der Gründung der VoG 1998 den auf einer Länge von 28 Metern eingestürzten Stollen in mühevoller Arbeit ausgebaut, Schlamm und Steine geschleppt, Beleuchtungen angebracht und die Beschallung installiert.
Ehrenamtliche können sich auf Inhalte konzentrieren, AGR bekommt neues Aufgabenfeld.
Heute zählt der Vorstand zehn Mitglieder, hinzu kommen rund 20 Personen, die regelmäßig Führungen von Besuchergruppen in mehreren Sprachen übernehmen. „Wir finden Leute, die sich um diese inhaltliche Arbeit kümmern, aber wir finden keine Leute mehr, die die Verantwortung für die ganze Logistik und Verwaltung dahinter übernehmen möchten“, bringt Oswald Lamberty es auf den Punkt. Deshalb kommt die Zusammenarbeit mit der AGR den Ehrenamtlichen hier wie gerufen. „Auf der anderen Seite bekommen wir eine Tätigkeit hinzu, die sich gut eingliedern lässt“, freuen sich Jana Müsch, Leo Kreins und Roland Gilson über die Erweiterung der Aktivitäten und ein neues Aufgabenfeld. Dass der Schieferstollen ganz abgesehen davon ein attraktiver Schauplatz für Kulturveranstaltungen sein kann, ist da nur ein positiver Nebeneffekt. „Es gibt da schon Überschneidungen“, sagen die Vertreter im Begleitausschuss und verweisen auf Konzerte oder Events, die in der Vergangenheit Besucher in den Schieferstollen gelockt haben.
HINTERGRUND
Neubau für das Museum soll an das bestehende Gebäude angegliedert werden
● Der erste obere Schieferstollen in Recht wurde 1886 durch die Gebrüder Margraff erschlossen. 1890 bestand die Belegschaft aus 25 Personen und es wurde ein weiterer Stollen angelegt, der 45 Meter unter dem bestehenden Stollen entstand.
● Nach fünf Jahren hatten die Arbeiter den Zugangsstollen etwa 400 Meter weit in den Fels getrieben und erreichten den guten Stein. Die Blaustein- Produkte wurden in den Regierungsbezirken Aachen und Trier verkauft.
● Nach 1900 wurde der Absatz rückläufig. Aufgrund von Bergungsschwierigkeiten, fehlenden Investitionsmitteln für die Modernisierung und dem Einzug künstlich hergestellter Materialien im
Baugewerbe folgte 1914 das endgültige Aus.
● Im November 1998 wurde die VoG Schieferstollen gegründet. Mit den finanziellen Mitteln der EU, der
Deutschsprachigen Gemeinschaft und der Gemeinde St.Vith in Höhe von 600.000 Euro wurde die Erschließung des Schieferstollens als Besucherbergwerk gestartet.
Innerhalb von fünf Jahren wurde diese mühselige Arbeit von den ehrenamtlichen Mitgliedern der VoG ausgeführt.
● Nach der Erschließung wurde das Empfangsgebäude errichtet und ein Besucherkonzept entworfen. Im Stollen selbst wurde ein Rundgang mit zehn Animationsstationen errichtet.
● Nach vielen tausend Stunden ehrenamtlicher verrichteter Arbeit wurde im Mai 2007 - zehn Jahre nach
Gründung der VoG - das Besucherbergwerk eröffnet. 15 Jahre und 130.937 Besucher später steht die Einrichtung nun an einem Wendepunkt und möchte mit einer Erweiterung und Neustrukturierung
die Weichen für die Zukunft stellen.
● Nach den bisherigen Überlegungen könnte sich der neue Museumsbau an der Ost- oder Westseite des
bestehenden Gebäudes angliedern. Eine räumliche Verbindung soll aber aufgrund des Zugangs zum
Stollen auf jeden Fall hergestellt werden.
● Die künftige Ausstellung im Museum soll durch weitere Exponate erweitert werden. Vorhanden sind noch Blausteinkreuze aus verschiedenen Epochen, ehemalige Grenzsteine, sakrale Gegenstände, Gebrauchsgegenstände, Werkzeuge und vieles mehr.
● Ein neuer Themenbereich wird die Geologie sein. In Vorbereitung sind acht Schautafeln, die auf die
Geologie rund um Recht eingehen. Auch lokale Mineralien, Erze und Metalle sollen ergänzt werden. (pf)
Quelle: GrenzEcho vom Dienstag 18/01/2022